Vor mehr als 20 Jahren lernte Gabi Uhl ihren ersten US-amerikanischen Brieffreund kennen: ein Mörder namens Clifford Boggess. Seitdem hat die 56 Jahre alte Lehrerin mit zehn zum Tode verurteilten Gefangenen in Texas Kontakt gehabt. Drei von ihnen hat sie sogar bis zur Hinrichtung begleitet.
Der Kontakt zu einem Gefangenen in Texas entstand über ihre Freundin. Auf vielen Briefen folgte schließlich ein Besuch. „Mich zu überwinden hat eine lange Zeit gedauert“, erzählt die Vorsitzende des Vereins „Initiative gegen die Todesstrafe“, der sich gegen die Todesstrafe weltweit engagiert.
Mittlerweile reist die Dame regelmäßig nach Texas. Dort besucht sie dann zwei bis drei zum Tode verurteilte Häftlinge. „Besuche sind immer ein besonderes Highlight“, sagt sie. Denn häufig säßen die Gefangenen 22 Stunden am Tag in ihrer knapp sechs Quadratmeter großen Zelle. Briefe und Besuche seien da der einzige Kontakt zur Außenwelt.
Verein hat Kontakt zu 300 Gefangenen
Die Frage warum sie sich um Menschen in der Todeszelle kümmert, hat sich Uhl häufig gestellt. „Letztendlich ist die Antwort sehr simpel: Ich möchte die Menschen und ihre Geschichten kennenlernen.“ Deshalb bietet sie auch anderen Menschen die Möglichkeit, mit Häftlingen in Kontakt zu treten.
Nach Bundesstaat sortiert können Interessierte die Inserate der Gefangenen lesen und sich per Mail an den Verein wenden, wenn sie Kontakt zu Häftlingen aufbauen möchten. Momentan hat der Verein Kontakt zu etwa 300 Insassen in Amerika.
„Wir haben aber auch eine Verantwortung den Gefangenen gegenüber“, sagt Uhl. Deshalb sollen sich nur die Leute melden, die Interesse an einer langfristigen Brieffreundschaft haben und damit umgehen können, wenn ihr Brieffreund eines Tages hingerichtet wird. Eine Mindestanzahl an Briefen gibt es nicht: „Manche schreiben ein bis zwei Mal im Monat, andere mehrmals die Woche.“
Häftlinge suchen nach „Fenster zur Außenwelt“
Die Beweggründe, eine Brieffreundschaft mit einem Gefängnis-Insassen anzufangen, sind vielfältig. „Manchmal gibt es auch romantische Intentionen und Beziehungen entstehen“, erzählt Uhl. Doch das sei die Minderheit.
Die meisten wollen die Gefangenen einfach unterstützen: „Sie haben das Bedürfnis, für jemanden das Fenster zur Welt zu sein“, sagt Uhl. Die Furcht den Gefangenen von Dingen zu erzählen, die sie selbst nicht (mehr) haben können, sei häufig unberechtigt. Viele Insassen freuen sich über Eindrücke und Fotos ihrer Brieffreunde, um so etwas von dem Leben außerhalb des Gefängnisses mitzubekommen.