Das Leben ist nicht immer leicht. Jeder von uns hat sicherlich schon schwere Phase durchmachen müssen, sei es der Verlust einer geliebten Person oder eine gravierende Veränderung der eigenen Lebensumstände.
Häufig führen die dabei entstehenden, meist sehr starken Emotionen zu einem heftigen Bedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit. Wer da keine geeignete Auffangmöglichkeit oder Vertrauensperson hat, zu die er in schwierigen Situationen flüchten kann, sucht sich nicht selten Hilfe von Außerhalb. Dabei stoßen viele Betroffene auf die Angebote von sozialen Einrichtungen und Kirchen. Freiwillige bieten ihre Hilfe an und unterstützen die Betroffenen bei ihren scheinbar unlösbaren Aufgaben. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die religiöse Bewegung namens Scientology. Im Dezember 1953 ließ L. Ron Hubbard die „Church of Scientology“ als Markenzeichen eintragen. Zeitlebens beschäftigte sich Hubbard mit so genannten Psychotechniken und schrieb mehrere Bücher darüber. In seinem Werk „Dianetics“ (zu Deutsch „Dianetik“) beschreibt er die Methode, Ängste und psychosomatische Krankheiten zu verstehen und zu überwinden. Im Laufe der Zeit entwickelten sich die Elemente von Scientology weiter und L. Ron Hubbard gestaltete die religiöse Organisation hierarchisch fort. Durch diese Ordnung entstanden die vier Phasen, in denen die Mitglieder durch Leistungen und Fleiß aufsteigen können, um schließlich den höchstmöglichen Rang zu erreichen.
• Phase 1: Lernen, über alles frei zu kommunizieren.
• Phase 2: Lernen, mit persönlichen und beruflichen Problemen umzugehen.
• Phase 3: Sprechen über schlimme Erinnerung aus der Vergangenheit.
• Phase 4: Lernen, mit Emotionen umzugehen, an Schwächen zu arbeiten und nicht immer Recht haben zu wollen.
Die erste, der Öffentlichkeit wohl bekannteste Phase stellt das Auditing dar. Dabei wird der Befragte auf seine eigentlichen Probleme und Gedanken gelenkt, damit gezielt an einer Lösung gearbeitet werden kann. Der Auditor stellt genau formulierte Fragen und schenkt dem Betroffen dabei lediglich ein offenes Ohr.
Sobald man alle vier Phasen durchlebt hat, ist man „clear“ – das bedeutet mit sich im Reinen. Der reaktive Verstand, also der Teil, der nach Ansicht von Scientology nicht der eigenen Kontrolle unterliegt, ist ausgeschaltet. Das soll dazu beitragen, seine Grundpersönlichkeit und Selbstbestimmung zurück zu erlangen und zu lernen, jederzeit man selbst zu sein.
Scientology bietet, neben der religiösen Komponente, auch ein Drogenrehabilitierungsprogram namens „Narconon“ an. Hierbei sollen die Patienten durch spezifische Methoden lernen, ein Leben ohne Aufputschmittel zu führen. Narconon wird als als globales Institut propagiert, das die Patienten aus dem Griff der Abhängigkeit befreien sollen, ohne dabei auf Ersatzdrogen zurück zu greifen. Das klingt natürlich erstmal toll, jedoch eilt Scientology unbestritten ein gewisser Ruf voraus.
Wir von der Brieffreunde-Redaktion haben uns also für die belegten Fakten und Erfahrungsberichte ehemaliger Patienten interessiert. Bei Recherchen rund um diese Einrichtung stießen wir auf folgende Geschichten:
Christoph Hubler, zum damaligen Zeitpunkt 22 Jahre alt, berichtete dem Onlineformat des Spiegel-Magazins über die ungewöhnlichen Entziehungsmethoden der Narconon-Entziehungseinrichtung in Oberbayern. Seiner Aussage zufolge wurden täglich mehrstündige Schwitzkuren einberufen, um Drogenreste aus dem Körper zu schwemmen. Nachdem das Reinigungsritual abgeschlossen war, musste man seinem Gegenüber stundenlang in die Augen schauen. Anschließend folgten eintönige Dialoge, wie zum Beispiel: „Fliegen Vögel?“ Antwort: „Ja, danke“ und wieder „Fliegen Vögel?“, Antwort: „Nein, danke“. Sobald der 22-Jährige diese Übung abgeschlossen hatte, musste er sich vor eine weiße Wand stellen und den Anweisungen des Mentors Folge leisten. „Schau dir diese Wand an, berühre diese Wand oder geh hinüber zu dieser Wand“ waren nur einige Befehle von vielen, so Hubler gegenüber dem Spiegel-Online-Format. Diese Therapien wurden so lange eingesetzt, bis der Patient eine Art Erweckungserlebnis spürte. Der Proband stumpft ab und entwickelt eine distanzierte Einstellung zu seiner Umgebung. Viele Kritiker, Mediziner und Drogenberater raten mit deutlichen Worten von solch einer Therapie ab: „Totaler Quatsch und medizinisch äußerst fragwürdig“, urteilt Vigilli Venzin vom Verein Schweizerischer Drogenfachleute (VSD). „Wir vermitteln niemanden dorthin“, sagt Axel Seifert von der städtischen Drogenberatungsstelle München im Gespräch mit dem Magazin.
Auch Christiane F. berichtet in ihrer Biographie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ über Augenblicke, die sie in der Einrichtung erlebt hat. Neben den hohen Gebühren, um bei Narconon bleiben zu dürfen, wunderte sich Christiane auch über die Methoden, mit Hilfe denen sie lernen sollte, ohne Drogen zu leben. In vielen Sessions versuchten ihre Mentoren, das junge Mädchen auf eine drogenfreie Bahn zu lenken. Unter anderem nahm Christiane F. regelmäßig an einem Ritual teil, in welchem sie von Wand zu Wand zu gehen und den Befehlen eines ehemaligen Fixers zu gehorchen hatte. Mit anderen Patienten durfte man sich laut ihren Berichten nicht unterhalten. Das fiel ihr in dieser Zeit besonders schwer, sagte sie.
Letztlich muss natürlich jeder Mensch für sich selbst entscheiden, was das Richtige ist. Methoden, die einem Menschen helfen, müssen nicht zwangsläufig bei allen anderen den gleichen Effekt haben – oder anders herum. Trotzdem sollte sich jeder, so schwer es auch manchmal erscheint, ein waches Auge bewahren, sich nicht unreflektiert an eine Organisation oder Vereinigung ausliefern und von Zeit zu Zeit hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg noch immer sinnvoll ist.
Weiterhin wünschen wir natürlich jedem Menschen, dass er eine liebevolle Umgebung, Familie und Freunde um sich hat, die ihm helfen, auch Zeiten einer Krise zu durchstehen und wieder zurück ins Leben zu finden. Oftmals ist kaum etwas heilender, als sich anderen ganz offen und ehrlich mitzuteilen.