Über den Sinn der Angst (bei einem Poetry Slam vorgetragen)
Wir spüren sie schon überall, denn überall ertönt ein Knall-
Manchester, Paris, Berlin- alle bleiben lieber drin.
Die Medien sagen es genauer: Ängste lassen uns erschauern,
bringen Bilder hoch vom Tod, der uns überall bedroht.
Wie soll man da noch Ruhe finden, wenn Kinder einfach so verschwinden,
wenn Unwetter uns bestürmen und Sorgen sich meterhoch türmen?
Die Welt hat Angst, sie wird extremer. Jeder hat seine Probleme,
sogar wir im Abendland, wo man die Ablenkung erfand.
Leider hilft uns das nicht immer, macht es eigentlich nur schlimmer:
wir Studenten kennen es gut, wenn man beim Lernen nur so tut,
faulenzt und prokrastiniert und sich selbst in die Falle führt:
Am letzten Tag bricht alles ein, du fühlst dich ohnmächtig und klein,
Der Lernstoff wird dir viel zu viel und immer weiter schrumpft das Ziel,
die großen Träume kollabieren und du siehst dich Pommes frittieren.
Vor wichtigen Klausuren läuft die Angst auf hohen Touren,
mehrere an einem Tag, und wehe dir, wenn du versagst!
Groß gegessen wird gar nicht erst, dafür ist die Lage zu ernst
die Adern voller Koffein, nächtelang hältst du dich hin
wie auf den Semesterpartys, wo du richtig geil in Fahrt bist,
Alkohol ersetzt das Wasser, unter Stress wird das noch krasser
denn wenn dich die Angst umfängt, sie dich an den Kühlschrank lenkt.
Und was sollen unsre Erstis sagen, wenn sie übers Pendeln klagen?
Wohnungen sind Mangelware, in WGs liegt man sich in den Haaren
und wer zur Zwischenmiete wohnt, bleibt vom Suchen nicht verschont
doch was, wenn nichts gefunden wird, und Anspannung sowieso verwirrt
man Fahrradunfälle baut und die Prüfung doch verhaut?
Alles wächst über den Kopf und die Spaghetti übern Topf
Studieren heißt Verantwortung, darum kommst du nicht herum
deshalb hab keine Angst davor, sonst schießt du dir ein Eigentor.
Merke: jede Ablenkung führt um den Kern der Sache rum
Angst ist in uns angelegt, gerade damit sie erregt
wer auf heißen Kohlen sitzt und unter Druck das Shirt vollschwitzt
kann die allermeisten Dinge lernen und leisten.
Die Stimmen jeder Angst auf Erden rufen: was soll aus dir werden?
Der Zukunft gilt ihr Augenmerk, dass man sich heute dafür stärkt
Doch wo bleibt da die Gegenwart? Wir leben jetzt, in voller Fahrt
wir drehen uns schneller um uns selbst, weil uns das eben so gefällt.
Das Wundern über Beziehungskrisen, wenn Partner uns auf den Mond schießen
scheint wohl auch daher zu kommen, sobald das Feuer ist verglommen
irgendwann lebt man sich ein, nur am Ende folgt das Schreien
denn diese Angst wird unterdrückt während eines ersten Glücks
doch im Innern fürchten wir: Ist er oder sie treu zu mir?
Ist unsere Zweisamkeit gelogen, wurde ich bereits betrogen?
Und es wird dir noch banger bei der Frage: bin ich schwanger?
Fragen ohne Antwort sind zum Wiederaufleben bestimmt
besonders unter Schwierigkeiten, während unserer harten Zeiten
kommt gern alles zusammen und das Leben steht in Flammen.
Ängste sind sehr unterschiedlich und in keinem Falle niedlich:
ein Erstklässler sagte mir einst: „Ich hab vor gar nix Angst!“ „Wie du meinst“,
gab ich zurück, „keine Angst? Das ist verrückt
denn es steckt ein Sinn in ihr, ohne sie wären wir nicht hier
wir begrüßten die Gefahr mit freudigem Hurra.“
da fiel es dem Kind wieder ein: „Bei Horror-Clowns sag ich Nein,
unterm Bett könnten Monster sein und manchmal ist mein Dad gemein.“
Diese Furcht aus Kindertagen kann auch jetzt noch an uns nagen
denn Angst ist irrational, das beschert am meisten Qual
die Welt ist potenziell gefährlich, da spricht sie zu dir ganz ehrlich
nur wenn sie pathologisch wird, mache dich ihr nicht zum Wirt!
Angst gibt es in vielen Formen, genauso wie Gesellschaftsnormen:
Stress ist eine Form von Angst, bei der du bald nicht mehr kannst
wenn du immer weitermachst, schlägt die geplagte Seele Krach
denn Stress versammelt alle Sorgen, besonders um das Heut und Morgen
Dein Status wird sehr gut beschützt, auch wenn’s am Ende nicht viel nützt.
Ich bekenn es mit dem Mund: Panik ist sehr ungesund,
dabei igelt man sich ein und will lieber woanders sein
und wie das Wort selbst schon sagt, macht die Angst nicht hochbetagt,
denn Angst bedeutet Enge -man kriegt sie im Gedränge,
auf Hochhäusern und unter Tage oder vor der falschen Frage,
vor Spinnen, Spinnern und dem Tod- und bei allem Atemnot
kurz: sie lauert überall und bringt dich aus dem Nichts zu Fall,
sie schlingt Ketten um dein Herz und verbindet sich mit Schmerz
Dunkelheit hängt vor dem Auge und ätzt an dir wie Lauge
in der Nacht greift sie dich an und rückt Zweifel auf den Plan:
bin ich doch nicht ganz so taff? Da hast du es wohl gerafft!
Die schlimmste Angst heißt Paranoia, dabei siehst du Ungeheuer,
während du unter Todesangst den besten Ausweg planst
doch wie oft bleibt es ausweglos, es ist nur ein geringer Trost,
wenn’s den Freunden ähnlich geht, kann‘s sein, dass niemand dich versteht
doch keine Angst: ich sehe dich. Und du weißt jetzt: ich verstehe dich.