Zuletzt hier: 03.03.2022Mitglied seit: 10.12.2021Geburtstag: 16.2.1989 (35)
Blog-Einträge von Gnom89
27.12.2021 - 17:59 h
Dem liegt nicht sehr viel daran..
Alte Industriezonen sind meine Lieblingsorte in Moskau. Hier kann man in Ruhe apokalyptische Horrorfilme drehen. Die sehr alten Straßen, ohne jede Beleuchtung, sind stark beschädigt, verschlammt und ausgefahren. Um hier sicher durchzufahren, brauchst du ein schweres Kraftfahrzeug. Am besten auf den Raupen, denn unter dem ganzen Schlamm, Schutt und Trümmern verstecken sich häufig rostige Armaturen, Nägel und Metallreste. Mit meinem Backhoeloader konnte ich mehrere Hindernisse sicher passieren, im Gegensatz zu manchen PKW-Fahrern, die es manchmal riskierten, hier durchzukommen. Mittlerweile kriechen sie nur noch ängstlich zwischen den Pfützen und Müllhaufen, während mein Traktor stolz vorwärtsdrängt.
Mein Handy klingelte. Der Auftraggeber wollte wissen, wo ich bin. Diese Leute sind immer so nervig.
Ich passierte alte Fabrikbauten, wovon einige schon halbzerstört waren und steuerte auf eine Betonzubereitungsanlage zu. Ein übergewichtiger Mann, der offenbar gerade auf mich wartete, gab mir ein Zeichen, meine Kabine zu verlassen. Ich folgte ihm.
Wir gingen quer über den Hof auf eine Ecke zu.
"Du sollst uns hier ein Loch ausschachten. Drei Meter tief. Wir werden hier einen Brunnen montieren", sagte er.
In der Nähe bemerkte ich einige Schachtringe aus Beton rumstehen.
"Die sollen hin. Klar?", raunte er weiter.
"Ja, Okay. Kein Problem", antwortete ich.
Es schien alles sehr leicht zu sein. Ein Loch drei Meter tief. "Ein Kinderspiel!", dachte ich, "30 Minuten Arbeit".
Meine Hoffnung, heute früher nach Hause zu kommen, wurde aber rasch ruiniert. Bereits nach einem Meter begann meine Schaufel auf Stein zu kratzen. Es war offenbar ein wirklich großer Betonklotz, den ich weder herausziehen noch zerschlagen konnte. Ich musste die Schaufel mit dem Hydraulikhammer wechseln..
Nach ein paar Stunden war ich völlig erschöpft.
Ich musste mit meinem Arbeitsgerät einiges zertrümmern, den Hammer abnehmen und die Schaufel anschließen, den Schutt ausheben und wieder wechseln. Hammer - Schaufel, Hammer - Schaufel. Jedes Mal hatte ich aus der Kabine zu springen, um die Hydraulikschläuche ab- und anzukoppeln, hin und her, rein - raus, Hammer - Schaufel.
Als ich zum xten-Mal das Anbaugerät wechselte, kam ein Arbeiter vom Betonwerk vorbei, sah mich teilnahmsvoll an und bat mich um eine Zigarette.
"Hat man dir denn gesagt, dass hier ein 10kW-Kabel verläuft?", fragte er.
Erstaunt und erbost schoss mir ein harsches "Was?" über die Lippen.
"Es soll irgendwo hier sein.. Hat dir unser Chef nichts davon gesagt?", fragte er teilnahmsvoll.
"Nicht mal ein Wort", antwortete ich resigniert.
"Na, sei vorsichtig beim Graben. Dem Alten liegt nicht sehr viel daran, ob du am Leben bleibst, oder nicht", riet er mir.
Ich stieg gedankenvoll in die Kabine zurück, stellte den Motor ab und nahm mir auch eine Zigarette. "So ein Mist", dachte ich. "Dem liegt nicht sehr viel daran..", schoss es durch meine Gedanken. "Mir liegt aber viel daran, ob ich am Leben bleibe. Sehr viel! Wird er etwa meine Frau und mein Kind füttern, wenn ich jetzt hier in die Luft fliege? Verdammt noch mal.. Kinderspiel.. Was für ein Scheißtag..", dachte ich frustriert.
"Hey! Was ist los? Warum arbeitest du nicht mehr?" - der Alte stand unerwartet bei mir am Baggerloch.
Ich sprang heraus und erkundigte mich über das vermeintliche Kabel.
"Achso. Ja, das soll irgendwo hier sein, aber etwas weiter zur Seite. Unter dem Zaun soll es laufen..", erklärte er mir.
"Sind Sie sich dessen sicher?", fragte ich.
"Ja, Grab ruhig weiter; noch anderthalb Meter nach unten", versuchte er mich zu beruhigen.
Ich kletterte auf die Maschine zurück.
"Grab ruhig weiter! - Der hat gut reden", brummte ich nicht hörbar für ihn und nahm die Arbeit wieder auf.
Der Mann stand noch eine Weile aufmunternd am Rande des Baggerlochs und verschwand wieder.
Nach einiger Zeit war ich mit dem Betonklotz fertig. Nur etwas Schutt und Erdreich war noch da. Ich fummelte behutsam weiter; jede Sekunde hatte ich eine schreckliche Explosion zu erwarten, die mich verbrennen könnte.
Natürlich kommt es immer wieder zu Kabelbeschädigungen, jedoch hatte ich noch nie mit 10kW-Monstern zu tun.
Ich habe einmal gesehen, was es bedeutet, solch ein Kabel zu zerreißen. In unserer Werkstatt gab es einen halbverbrannten Bagger, dessen Fahrer nach diesem einen Unfall zum Krüppel wurde..
Versunken in meine Gedanken, führte ich meine Arbeit vorsichtig fort, bis ich kurz darauf die Maschine wieder abstellen musste.
Es sah wie eine Kommission aus: einige Büromänner - Aktenfuzzis auch genannt - kamen auf das Loch zu, stark und beeindrückend gestikulierend.
"Hey! Weg von hier! Arbeit stoppen! Halt!", schrieen sie durcheinander, "Willst du hier etwa verbrennen?"
Der Übergewichtige Mann kam ebenfalls zu den Männern. Die Auseinandersetzung dauerte rund eine halbe Stunde, es wurde dabei viel gebrüllt, mit einem Maßband mehrmals hin und her gemessen und wieder gestritten.
Das ganze Theater ging mir wirklich auf die Nerven, bis dann endlich die Abordnung der Aktenfuzzies wieder verschwand und man mich weiterarbeiten ließ.
Bald darauf war ich mit dem Loch fertig. Von dem Kabel keine Spur. Jene Phrase blieb mir aber für ewig im Gedächtnis:
IHM LIEGT NICHT SEHR VIEL DARAN, OB DU AM LEBEN BLEIBST..
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Alte Industriezonen sind meine Lieblingsorte in Moskau. Hier kann man in Ruhe apokalyptische Horrorfilme drehen. Die sehr alten Straßen, ohne jede Beleuchtung, sind stark beschädigt, verschlammt und ausgefahren. Um hier sicher durchzufahren, brauchst du ein schweres Kraftfahrzeug. Am besten auf den Raupen, denn unter dem ganzen Schlamm, Schutt und Trümmern verstecken sich häufig rostige Armaturen, Nägel und Metallreste. Mit meinem Backhoeloader konnte ich mehrere Hindernisse sicher passieren, im Gegensatz zu manchen PKW-Fahrern, die es manchmal riskierten, hier durchzukommen. Mittlerweile kriechen sie nur noch ängstlich zwischen den Pfützen und Müllhaufen, während mein Traktor stolz vorwärtsdrängt.
Mein Handy klingelte. Der Auftraggeber wollte wissen, wo ich bin. Diese Leute sind immer so nervig.
Ich passierte alte Fabrikbauten, wovon einige schon halbzerstört waren und steuerte auf eine Betonzubereitungsanlage zu. Ein übergewichtiger Mann, der offenbar gerade auf mich wartete, gab mir ein Zeichen, meine Kabine zu verlassen. Ich folgte ihm.
Wir gingen quer über den Hof auf eine Ecke zu.
"Du sollst uns hier ein Loch ausschachten. Drei Meter tief. Wir werden hier einen Brunnen montieren", sagte er.
In der Nähe bemerkte ich einige Schachtringe aus Beton rumstehen.
"Die sollen hin. Klar?", raunte er weiter.
"Ja, Okay. Kein Problem", antwortete ich.
Es schien alles sehr leicht zu sein. Ein Loch drei Meter tief. "Ein Kinderspiel!", dachte ich, "30 Minuten Arbeit".
Meine Hoffnung, heute früher nach Hause zu kommen, wurde aber rasch ruiniert. Bereits nach einem Meter begann meine Schaufel auf Stein zu kratzen. Es war offenbar ein wirklich großer Betonklotz, den ich weder herausziehen noch zerschlagen konnte. Ich musste die Schaufel mit dem Hydraulikhammer wechseln..
Nach ein paar Stunden war ich völlig erschöpft.
Ich musste mit meinem Arbeitsgerät einiges zertrümmern, den Hammer abnehmen und die Schaufel anschließen, den Schutt ausheben und wieder wechseln. Hammer - Schaufel, Hammer - Schaufel. Jedes Mal hatte ich aus der Kabine zu springen, um die Hydraulikschläuche ab- und anzukoppeln, hin und her, rein - raus, Hammer - Schaufel.
Als ich zum xten-Mal das Anbaugerät wechselte, kam ein Arbeiter vom Betonwerk vorbei, sah mich teilnahmsvoll an und bat mich um eine Zigarette.
"Hat man dir denn gesagt, dass hier ein 10kW-Kabel verläuft?", fragte er.
Erstaunt und erbost schoss mir ein harsches "Was?" über die Lippen.
"Es soll irgendwo hier sein.. Hat dir unser Chef nichts davon gesagt?", fragte er teilnahmsvoll.
"Nicht mal ein Wort", antwortete ich resigniert.
"Na, sei vorsichtig beim Graben. Dem Alten liegt nicht sehr viel daran, ob du am Leben bleibst, oder nicht", riet er mir.
Ich stieg gedankenvoll in die Kabine zurück, stellte den Motor ab und nahm mir auch eine Zigarette. "So ein Mist", dachte ich. "Dem liegt nicht sehr viel daran..", schoss es durch meine Gedanken. "Mir liegt aber viel daran, ob ich am Leben bleibe. Sehr viel! Wird er etwa meine Frau und mein Kind füttern, wenn ich jetzt hier in die Luft fliege? Verdammt noch mal.. Kinderspiel.. Was für ein Scheißtag..", dachte ich frustriert.
"Hey! Was ist los? Warum arbeitest du nicht mehr?" - der Alte stand unerwartet bei mir am Baggerloch.
Ich sprang heraus und erkundigte mich über das vermeintliche Kabel.
"Achso. Ja, das soll irgendwo hier sein, aber etwas weiter zur Seite. Unter dem Zaun soll es laufen..", erklärte er mir.
"Sind Sie sich dessen sicher?", fragte ich.
"Ja, Grab ruhig weiter; noch anderthalb Meter nach unten", versuchte er mich zu beruhigen.
Ich kletterte auf die Maschine zurück.
"Grab ruhig weiter! - Der hat gut reden", brummte ich nicht hörbar für ihn und nahm die Arbeit wieder auf.
Der Mann stand noch eine Weile aufmunternd am Rande des Baggerlochs und verschwand wieder.
Nach einiger Zeit war ich mit dem Betonklotz fertig. Nur etwas Schutt und Erdreich war noch da. Ich fummelte behutsam weiter; jede Sekunde hatte ich eine schreckliche Explosion zu erwarten, die mich verbrennen könnte.
Natürlich kommt es immer wieder zu Kabelbeschädigungen, jedoch hatte ich noch nie mit 10kW-Monstern zu tun.
Ich habe einmal gesehen, was es bedeutet, solch ein Kabel zu zerreißen. In unserer Werkstatt gab es einen halbverbrannten Bagger, dessen Fahrer nach diesem einen Unfall zum Krüppel wurde..
Versunken in meine Gedanken, führte ich meine Arbeit vorsichtig fort, bis ich kurz darauf die Maschine wieder abstellen musste.
Es sah wie eine Kommission aus: einige Büromänner - Aktenfuzzis auch genannt - kamen auf das Loch zu, stark und beeindrückend gestikulierend.
"Hey! Weg von hier! Arbeit stoppen! Halt!", schrieen sie durcheinander, "Willst du hier etwa verbrennen?"
Der Übergewichtige Mann kam ebenfalls zu den Männern. Die Auseinandersetzung dauerte rund eine halbe Stunde, es wurde dabei viel gebrüllt, mit einem Maßband mehrmals hin und her gemessen und wieder gestritten.
Das ganze Theater ging mir wirklich auf die Nerven, bis dann endlich die Abordnung der Aktenfuzzies wieder verschwand und man mich weiterarbeiten ließ.
Bald darauf war ich mit dem Loch fertig. Von dem Kabel keine Spur. Jene Phrase blieb mir aber für ewig im Gedächtnis:
IHM LIEGT NICHT SEHR VIEL DARAN, OB DU AM LEBEN BLEIBST..
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